Lieber Henri,
Weihnachten ist beerdigt und
das alte Jahr liegt in seinen letzten Zügen, bereit einem jüngeren, vitaleren Abbild
seiner selbst Platz zu machen. Das Jesuskind aus Polypropylen wird mitsamt
seiner billig verarbeiteten Holzkrippe, made in China, in einen vollgestopften
Umzugskarton verstaut und bis nächstes Jahr in den dunklen Keller verfrachtet.
Diese biedermeiersche Auslebung des Fritzltums macht mich etwas traurig, aber
lassen wir die sentimentalen Sabbeleien. Das Weihnachtsfest, welches ich für die
Firma XYZ organisiert habe, war ein monumentales Desaster. Zunächst lief alles
reibungslos, schliesslich gab es zu dem Ablauf ein achtseitiges Script und
nachmittags fand eine kleine Hauptprobe für den offiziellen Teil statt. Um dir
das Ausmass der Katastrophe begreiflich zu machen, muss ich zwei Punkte als
Exposition vorausschicken. Zum einen habe ich aus Kostengründen darauf
verzichtet, einen professionellen Tontechniker für den Anlass anzuheuern.
Stattdessen habe ich das Equipement bei einer Event-Agentur gemietet und mir
die Bedienung der Beschallungsanlage zeigen lassen. Zum anderen hatte ich in
der Vorbereitungsphase ziemlich intensiven Kontakt mit der Sekretärin der
Geschäftsleitung, welche meine Hauptansprechperson war. Nennen wir sie mal Frau
Teppichboden. Die gute Frau Teppichboden ist mitte Zwanzig und passt perfekt in
mein Beuteschema. Somit nahm das Unheil seinen Lauf. Ich moderierte durch den ganzen
Abend und trug dazu ein Lavalier-Mikrofon – die Dinger, die man an die Kravatte
stecken kann. Nach der Vorspeise waren alle schon etwas angetrunken und heiter,
auch ich. Ich hielt mich aber gut, stieg auf die Bühne, machte ein paar Spässe
und kündete den Geschäftsführer an, der nun eine einstündige Rede hielt. Ich verschwand hinter
der Bühne, wo mich Frau Teppichboden mit einer Flasche Champagner empfing. Wir
verschwanden in einem kleinen Kämmerchen und hielten ein Schäferstündchen.
Jedenfalls ein halbes Stündchen, damit wir auch ja zurück waren, bevor der Herr
Geschäftsführer mit seinem Monolog fertig war. Als wir in den Saal kamen,
war niemand mehr auf der Bühne am reden, stattdessen rannten ein paar hochrote
Gesichter umher, tumultartige Szenen, wie man sie sonst nur von Fussballspielen
kennt, trugen sich zu. Es gab kleine Rangeleien, Geschrei, Gelächter und laut fluchende Kravattenträger. Manche versuchten, Anderen die
Handies wegzunehmen, ein paar sangen hemmungslose Lieder und als man uns im
Saal bemerkte, schallte uns eine Welle donnerndes Gelächter entgegen. Wir
mussten schliesslich zu meinem Auto flüchten und fuhren zu meiner Wohnung.
Später habe ich realisiert, was passiert war: Ich hatte vergessen, mein
Mikrofon auszuschalten. Die geistreiche Rede zum Geschäftsverlauf 2013 wurde also
von dem ekstatischen Stöhnen von Frau Teppichboden unterbrochen, was im Saal zu
chaotischen Zuständen führte. Ich habe erfahren, dass ein paar Angestellte die
Szenerie mit dem Handy filmten. Denen hat man das Handy abgenommen und die
Aufnahmen gelöscht, damit die Peinlichkeit nicht auf einer Videoplattform
landete. Ich selbst habe den Anlass mit meinem HD-Recorder festgehalten. Diese
Aufnahmen haben schliesslich dazu geführt, dass ich doch noch zu einer
angemessenen Bezahlung kam und über den Vorfall stillschweigen bewahrt wird. Du
siehst, Weihnachtszeit ist eine hektische Zeit, aber das kennst du ja bestimmt
von deiner Kneipe und von deiner Uschi. Ich hoffe, der gute Uli konnte ihr ein
paar schöne Geschenke besorgen. Was hat sie denn so gekriegt und was hast du
bekommen? Ich habe leider wieder ein ziemlich einsames, trostloses
Weihnachtsfest verbracht, bekam aber noch Besuch von Frau Teppichboden. So
gesehen darf ich mich nicht beklagen. Morgen ist Silvester, ich freu mich schon
darauf, bei dir in der Kneipe zu feiern. Dieses Jahr lassen wir mit einem Knall
enden!
Liebe Grüsse
Ernie